Wie unterstützt KI das B2B-Marketing?

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Auch im B2B-Marketing gibt es eine Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten. Doch macht uns KI bald arbeitslos? Warum er KI-basierte Software-Lösungen nicht als Konkurrenz für uns Menschen, sondern als hilfreiche Werkzeuge erachtet, erklärt KI-Experte Prof. Dr. Gerald Lembke im Interview.


Wie unterstützt KI das B2B-Marketing? | Haufe Group
© Gerald Lembke

Herr Lembke, Sie beschäftigen sich seit über 30 Jahren mit der digitalen Transformation in Unternehmen. Eine technologische Innovation jagt die nächste. Wie schätzen Sie den aktuellen Siegeszug der künstlichen Intelligenz ein?

Seit dem Launch von ChatGPT im November 2022 beobachte ich einerseits eine große Sensibilität gegenüber KI – sowohl in großen Konzernen als auch im Mittelstand. Andererseits halten sich Neugierde und Skepsis die Waage. Quasi die ganze Welt diskutiert im Kollektiv über die Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz. Dass KI inzwischen eine derart hohe Marktreife hat, verstärkt ihr ohnehin immenses disruptives Potenzial. Zugleich muss ich die Euphorie bremsen: Auch mit KI lösen sich nicht alle Probleme in Luft auf. 

Sondern?

Es ist doch so: Unternehmen sind gut beraten, sich heute mit KI zu beschäftigen und ohne den Druck millionenschwerer Projekte spielerisch damit zu experimentieren. So legen sie den Grundstein, um KI in Zukunft so zu nutzen, dass sie sich tatsächlich positiv auf die Wertschöpfung auswirkt – ob im Marketing oder in anderen Unternehmensbereichen.

Sollten wir in Deutschland nicht einen Zahn zulegen, was die Nutzung von KI betrifft?

Es stimmt: Wir Deutsche neigen dazu, abzuwarten und erst einmal alle Vor- und Nachteile einer disruptiven Technologie gründlich gegeneinander abzuwägen. In dieser Zeit haben Firmen in anderen Ländern bereits funktionierende Lösungen oder sogar gänzlich neue Geschäftsmodelle entwickelt. Wohin dieses Zögern und Zaudern führen, sieht man zum Beispiel im Kontext von Sensorik 4.0 oder auch beim mobilen Arbeiten. Wir haben Jahre verstreichen lassen und dann teuer dafür bezahlt, doch noch irgendwie mithalten zu können. Und ja, das könnte sich nun wiederholen.

Was raten Sie?

Unsere strengen Datenschutzbestimmungen sind ein hohes Gut. Gleichzeitig stehen sie uns bei der KI-Nutzung im Weg – ebenso wie die abwartende Haltung vieler Unternehmen. Doch es gibt keinen Weg zurück. Firmen müssen die Herausforderung annehmen und jetzt aktiv werden. Ich empfehle ein dreistufiges Vorgehen. Zunächst sollten Unternehmen Marktforschung betreiben und möglichst neutrale Informationen einholen. Nur so können sie sich ein weitestgehend objektives Bild von der KI-Thematik machen. Als nächstes rate ich dazu, machbare Use-Cases zu erörtern und einfach mal auszuprobieren, was geht – und was nicht. Im Idealfall erzielen Firmen wirkungsvolle Aha-Effekte und erhöhen damit die Bereitschaft der Mitarbeiter, KI zu nutzen. Die dritte Stufe besteht dann in der Entwicklung eigener Sprachmodelle. Aufgrund der Komplexität wagen sich zumeist nur große Konzerne an diese Aufgabe heran.

Lassen Sie uns praktisch werden: Wie lässt sich KI im B2B-Marketing einsetzen?

Es gibt viele Dutzende, ja sogar Hunderte Einsatzmöglichkeiten für KI in Marketing, Kommunikation und Journalismus. Das größte Potenzial für das B2B-Marketing sehe ich dort, wo es um Content geht: Recherche, Aggregation, Validierung und multimodale Erzeugung, also Inhalte in Form von Text, Bild, Video und Audio. Denken wir an die Unmenge an Informationen, die im Internet verfügbar sind. Das Wissen der Welt ist online. Jedoch ist es menschenunmöglich, alles über ein Thema zu finden. KI-basierte Content-Aggregatoren hingegen stellen passgenaue Themenfeeds zusammen und durchforsten dafür eine Vielzahl an digitalen Quellen – vom News-Artikel bis hin zum Fachbuch

Ein weiterer prädestinierter Anwendungsfall ist die Content-Validierung. Fake-News sind ein großes Problem, das KI einerseits befeuert. Denn sie kann zum Beispiel Stimmen erzeugen, die sich von ihrem menschlichen Pendant überhaupt nicht mehr unterscheiden. Oder man denke an Deepfake-Videos, die schon so manche Person des öffentlichen Lebens in die Bredouille gebracht haben. Andererseits steht es journalistisch ausgebildeten Redakteuren frei, KI zu nutzen, um Informationen sehr schnell und effizient einem gründlichen Faktencheck zu unterziehen. Dies zu tun, würde ich übrigens auch Marketingabteilungen empfehlen.

Welche weiteren Use-Cases gibt es?

Nicht mehr ganz neu sind Chatbots, die dank KI enorm hinzugewonnen haben, was die thematische Treffsicherheit und inhaltliche Korrektheit der Dialoge betrifft. Insbesondere bei repetitiven Aufgaben, die auf standardisierten Prozessen beruhen und menschliche Mitarbeitende viel Zeit kosten, sind Chatbots eine tolle Sache. Denn sie schaffen eine spürbare Entlastung. Und eröffnen die Chance, die multimediale Kommunikation mit der eigenen Zielgruppe effizient und sehr kostengünstig zu gestalten.

Wird der Mensch über kurz oder lang ersetzbar?

Vor ein paar Jahren hätte ich diese These unterschrieben. Heute bin ich anderer Meinung. Wir Menschen sind und bleiben wichtig. Doch wir müssen dem technologischen Fortschritt gegenüber offen sein und ihn als Option begreifen, Dinge besser oder effizienter als zuvor zu tun. Wir laufen immer noch auf unseren zwei Beinen – obwohl es Autos gibt. Nur kommen wir mit dem Auto schneller von A nach B als zu Fuß. Dieses Bild finde ich sehr passend. Also: Wir müssen mit diesen Tools arbeiten und sie zu unserem Vorteil nutzen. Es geht nicht um die Frage „Mensch oder Maschine?“, sondern darum, KI smart zu verwenden. KI ist ein hilfreiches Werkzeug. Und genau als solches sollten wir sie einsetzen. Und wir sollten verinnerlichen: Werkzeuge haben uns noch nie vollständig ersetzt.

Der Weg führt also nicht dahin, dass es nur noch KI-generierten Content geben wird?

Ja, davon bin ich überzeugt. Redaktionen sollten sich nicht der Verlockung hingeben, Texte ausschließlich von der KI generieren zu lassen. Es kann nicht um Sinne eines professionellen B2B-Marketings und eines glaubwürdigen Journalismus sein, wenn wir die Content-Produktion immer weiter beschleunigen und die Menge an verfügbaren Inhalten immer weiter erhöhen – wenn darunter die Qualität leidet. Es gibt so viel Blödsinn im Internet. Doch je mehr Nonsens, desto wichtiger ist verlässlicher Content, den vertrauenswürdige Verlagshäuser von Redaktionsprofis erstellen lassen. 

Was bedeutet dies fürs B2B-Marketing?

B2B-Marketer könnten KI verwenden, um die Qualität ihrer Inhalte zu erhöhen. Ich denke hier zum Beispiel an informative und hilfreiche Whitepaper und E-Books. Und es spricht absolut nichts dagegen, ein werbliches Advertorial mit einem KI-generierten Visual zu versehen. Doch zusätzlichen Content, den niemand braucht, zu erzeugen, davon rate ich ab. Marketer sollten Fakten KI-basiert überprüfen. Und sie sollten Quellen für Faktenchecks mithilfe von KI recherchieren. Marketingabteilungen, die sich jetzt experimentell mit KI beschäftigen, werden zukünftig enorm profitieren. Das ist meine feste Überzeugung.

Herr Lembke, wir danken Ihnen ganz herzlich für das Gespräch und Ihre Bewertung der aktuellen Entwicklungen!

Gerald Lembke ist ein führender Experte für die digitale Transformation in Unternehmen mit den Schwerpunkten Digitales Marketing, Kommunikation, Künstliche Intelligenz und Wissensmanagement. Der Digitalprofessor besitzt einen exzellenten Ruf als Berater, Coach und Mentor, den er in rund 35 Jahren und nach über 3.000 Projekten, 13 Sachbüchern, unzähligen Vorträgen und zahlreichen Mediengesprächen erworben hat. Seine Podcasts „PROFCAST – Irgendwas mit Medien“ und „KI-NEWS-TALK“ (mit Christopher Meil) erreichen jeden Monat über 75.000 Hörer. Gerald Lembke leitet das „Steinbeis Transferzentrum Digitale Medien und Kommunikation“, berät Unternehmen und begleitet die praktische Umsetzung digitaler Medienprojekte. 


„Haufe Media Sales bietet zahlreiche Optionen, eigene Inhalte in hochwertigen B2B-Umfeldern zu platzieren. So erhöhen Firmen ihre Bekanntheit, stärken ihre Glaubwürdigkeit und ermöglichen Interessenten, mit ihrer Marke in Kontakt zu kommen. Wer keinen selbstproduzierten Content hat, wird von unseren Corporate-Media-Experten mit passenden Inhalten für Websites, Blogs, Newsletter und andere Formate individuell unterstützt.“
Bernd Junker, Leiter Customer Development & Corporate Media bei der Haufe Group



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Bernd JUNKER
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