- DOMINIK CASTILLO
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2020 coronabedingt abgesagt, war der Neuromarketing Kongress 2021 ein voller Erfolg. Im Mittelpunkt standen die Fragen, wie Unternehmen mit ihrer Marke Relevanz erzeugen, wie sie ihre Zielgruppe in Zeiten des Informations-Overloads überzeugen und welche Rolle das Neuromarketing dabei spielt.
7. Juli 2021
Wie bereits der Haufe Summit Real Estate, fand auch der 13. Neuromarketing Kongress am 24. Juni 2021 erstmals als hybride Veranstaltung statt – mit 70 Personen vor Ort und über 200 virtuellen Teilnehmern. Sie alle wissen: Der Tenor: Um Relevanz zu erzeugen, braucht es Aufmerksamkeit. Diese im „War for Attention“ zu erzeugen, ist eine große Herausforderung. Wie also werden B2B-Unternehmen sichtbar und finden den Weg in die Köpfe von Kunden und Interessenten?
Neurowissenschaftler Prof. Dr. Martin Korte führte die Teilnehmer in die Arbeitsweise des Gehirns ein. Da es zum einen mit Informationen hochselektiv umgeht, merken wir uns Dinge nur dann, wenn sie für uns von Bedeutung sind. Zum anderen benötigt das Gehirn bis zu fünfzehn Sekunden, um sich auf eine komplexe Situation einzustellen. Die Konsequenz: Im Falle eines Informations-Overloads versagt das Arbeitsgedächtnis. Als Zwischenspeicher kann es Informationen nicht mehr im Hinblick auf ihre Relevanz gewichten. Damit Konsumenten eine Marketingbotschaft wahrnehmen, muss sie in einem sinnstiftenden Kontext stehen. Um einen neuen Kontext zu schaffen – etwa beim Produktlaunch –, müssen Unternehmen die Neugierde ihrer Zielgruppe wecken, zum Beispiel mittels Storytelling, und ihre Marke in ein bestimmtes Umfeld setzen. Da viele Umfelder bereits besetzt sind, besteht die große Kunst im B2B-Marketing darin, eine geeignete Lücke zu finden oder ein neues Umfeld zu schaffen.
Meinolf Ellers, Chief Digital Officer der dpa, berichtete von der Herausforderung für Nachrichtenmedien, junge Zielgruppen zu zahlenden Digitalkunden zu machen. Dabei geht es um Fragen wie:
Durch gezielte Umfragen hat die dpa herausgefunden, dass nicht die Nachrichtenmedien als Newsbringer für junge Menschen fungieren, sondern neben der Familie und Freunden sind es auch Influencer. Was ist also zu tun? Informationsmedien müssen wieder eine Beziehung zu junge Mediennutzern aufbauen. Mithilfe der Limbic-Map wertet die dpa deren Nutzungsverhalten aus, etwa anhand von Bildern als Trigger oder der Effekte von Farben auf das Klickverhalten. Daneben braucht es auch engagierte Botschafter, die den Journalismus wieder attraktiv machen. Bekannte Gesichter sind vertrauenswürdig und erzeugen nachhaltige Relevanz.
In einem ähnlichen Kontext erläuterte Wirtschaftspsychologin Prof. Dr. Sarah Diefenbach, wie Unternehmen Marken und (digitale) Services mit Relevanz aufladen können: Aus psychologischer Sicht ist etwas relevant, wenn es ein Grundbedürfnis erfüllt. Darum sollten Unternehmen weniger in Produkt-, sondern mehr in Bedürfniskategorien denken. Positive Erlebnisse und eine wechselseitige Verbundenheit bilden die Grundlage einer positiven User-Experience. Die Herausforderung besteht darin, positive Gefühle in digitale Kanäle wie eine Website zu übertragen. Das gelingt, indem Unternehmen zunächst erörtern, welche Bedürfnisse Website-Besucher haben. Daraus sollten sich dann im zweiten Schritt die Inhalte und das Design ergeben. Dabei können sie sich das sogenannte Hygiene-Motivator-Modell zunutze machen: Die emotionale Lebensdauer von Produkten reduziert sich sukzessive. Wir werfen Produkte viel schneller und öfter weg. Um die Entscheidung für oder gegen ein Produkt zu treffen, braucht unser Gehirn eine Rechtfertigung. Dabei gilt: Je pragmatischer der Nutzen eines Produkts, desto einfacher die Wahl. B2B-Unternehmen sollten demnach herausfinden, was ihre Kunden glücklich macht, um den Absatz anzukurbeln.
Prof. Dr. Hans-Willi Schroiff gewährte einen Einblick in die Logik des Misslingens. Bis zu 80 Prozent der Produkteinführungen floppen, weil Produkte ihr Versprechen nicht erfüllen. Um dem entgegenzuwirken, muss das Wissen über die Kunden über alle verfügbaren Kanäle ins Unternehmen fließen. Nur so kann das Marketing dann ein kundenorientiertes Ankerthema erarbeiten und daraus verschiedene Basisideen ableiten. Oder verdeutlicht am Beispiel des Fußballs: Der Ideenprozess gleicht einer EM. Es gibt viele Vorrunden. Runde um Runde werden die Ideen weniger, besser und konkreter – bis am Ende die „winning idea“ steht. Das Problem dabei: In vielen Unternehmen haben die Mitarbeiter zwar viel Wissen gesammelt, doch sie geben es nicht weiter. Hier kommt erneut die Limbic-Map ins Spiel. Die Annahme: Alles, was wir wahrnehmen, ist mit emotionalen Codes aufgeladen. Das bedeutet: Selbst, wenn das eigene Produkt besser ist als das der Konkurrenz, wird es scheitern, sofern dessen Beschaffenheit für Kunden nicht relevant ist. Darum sollte immer der Kunde im Mittelpunkt stehen. In diesem Kontext spielt Diversity innerhalb von Marketing-Teams eine entscheidende Rolle. Je diverser ein Team ist, desto mehr unterschiedliche Perspektiven fließen in die Ideensuche ein – bis hin zur „winning idea“.
Auf die Unterschiede zwischen Neuromarketing und Digital-Phenotyping ging Psychologin Dr. Cornelia Sindermann ein. Digital-Phenotyping erlaubt, digitale Spuren auswerten – etwa um herauszufinden, welche Art der digitalen Werbung zum jeweiligen digitalen Fußabdruck am besten passt. Dabei spielen die Big-Five der Psychologie eine wichtige Rolle, unter anderem die:
Relevant ist Werbung dann, wenn sie auf neurowissenschaftlichen Befunden aufbaut und ethische Aspekte zugleich berücksichtigt. Personenbezogene Daten zu Marketingzwecken auszuwerten, ist immer ein Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen. Darum ist absolute Vorsicht geboten. Daneben empfahl Dr. Cornelia Sindermann, nicht allein auf die Social-Media zu setzen, sondern auf einen ausgewogenen Kommunikations-Mix.
Den abschließenden Blick in die Zukunft gewährte Trendforscher Prof. Peter Wippermann. Die große Herausforderung im Marketing wird darin bestehen, auf die zunehmende Individualisierung zu reagieren: Kunden wollen selbstbestimmt kaufen. Zudem wird es mehr Singles und weniger Familien geben, und die Suche nach sozialer Nähe im virtuellen Raum wird unser Online-Verhalten bestimmen. Hier ist das B2B-Marketing gefordert, den richtigen Weg zu finden: weg vom Massenprodukt, hin zur persönlichen Zuwendung.
Apropos persönliche Zuwendung: Viele Interaktionen werden auch zukünftig in den eigenen vier Wänden stattfinden – Stichwort New-Work. Das Zuhause wurde im vergangenen Jahr zum neuen Headquarter. Es ist davon auszugehen, dass sich hybride Arbeitsmodelle durchsetzen werden. Ebenso wird es immer wichtiger, soziale Verantwortung zu übernehmen. 75 Prozent der zur GenZ gehörigen Verbraucher wollen rassistische, machohafte oder homophobe Marken boykottieren. Das Marketing muss also umdenken: Es geht um Haltung, um den Purpose, um eine sinnvolle, lebenswerte Zukunft. Damit das Einkaufserlebnis zum Medienerlebnis wird, müssen Marken glaubwürdig für die Werte stehen, mit denen sich der Kunde identifizieren möchte.
Daneben gab es weitere spannende Themen:
Alle Vorträge von Unternehmensvertretern und Experten aus der Wissenschaft verband eine Frage: Wie werden und bleiben Unternehmen relevant? Wir sind schon gespannt, wie die Antworten im nächsten Jahr ausfallen werden.
Wie es gelingt, starke Marken im Markt zu etablieren, erfahren Sie in unserem Leitfaden „Markenaufbau im B2B. Was haben Bierdeckel mit der Positionierung von Marken zu tun?“
Eine Übersicht über unsere Werbeträger finden Sie in unserem Media Center.