- DOMINIK CASTILLO
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#SustainableMarketing ist unter Umweltgesichtspunkten unmöglich umzusetzen, sagt Bernd Korz, CEO des Videoplattform-Betreibers alugha. Weshalb er trotzdem auf nachhaltige Marketingmaßnahmen setzt, wie wichtig ihm grüner Strom dabei ist und wieso er im Sinne der Nachhaltigkeit auf Umsatz verzichtet, verrät er im Interview.
16. März 2023
Lieber Herr Korz, persönlich achten Sie sehr auf eine nachhaltige Lebensweise. Spiegelt sich Ihre Einstellung auch in Ihrem Unternehmen und Ihrem Marketing wider?
Wir haben alugha gegründet, weil wir das Videobusiness nachhaltiger machen wollten. Deshalb haben wir eine Videoplattform entwickelt, die es erlaubt, viele Sprachspuren in ein Video zu integrieren. Unternehmen müssen also nicht Dutzende Werbevideos in verschiedenen Sprachen bereitstellen, sondern nur ein einziges – was sehr viel weniger Strom verbraucht. Am Ende ist unser Business deshalb nachhaltiger, aber trotzdem nicht wirklich grün. Es werden immer noch Ressourcen verbraucht – sogar eine ganze Menge – auch durch unser eigenes Marketing. Aus der Sicht des Umweltaspekts ist für mich nachhaltiges Marketing deshalb schwierig umzusetzen, ja sogar eine echte Herausforderung. Ich würde sogar behaupten, nachhaltiges Marketing ist unmöglich.
Wieso ist nachhaltiges Marketing aus Ihrer Sicht unmöglich?
Wir haben nur den einen Planeten und es gibt keinen Plan B. Unser Anliegen mit alugha war immer, möglichst viele Ressourcen zu sparen. Diesen Gedanken leben wir auch im Marketing. Es ist am Ende aber einfach immer ein Kompromiss. Wir müssen uns natürlich als Marke präsentieren, aber uns zum Beispiel auch fragen, ob wir ständig neue Flyer produzieren müssen, auf welche Messen wir gehen möchten oder wo wir online stattfinden wollen.
Wie setzen Sie diesen Kompromiss zwischen Sichtbarkeit und Ressourcensparen für Ihr Unternehmen um?
Nehmen wir zum Beispiel Messen. In Deutschland kann ich für die Anreise öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Aber wenn wir eine Messe in Übersee besuchen wollen, können wir nicht mit dem Zug fahren, sondern müssen fliegen. Das kompensieren wir zwar, aber einen CO2-Ausgleich zu zahlen, ist für mein Dafürhalten eher ein Alibi, denn freigesetzt wurde das CO2 ja trotzdem. Unseren Messestand lassen wir aber nicht extra anliefern. Das heißt, ich nehme 70 Kilogramm Gepäck selbst im Flugzeug mit und transportiere es dann mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Messegelände. Das ist schon ganz schön anstrengend. Da ist es praktisch, dass wir nicht auch noch Giveaways mitnehmen. Früher hatten wir immer Kugelschreiber dabei. Aber ich finde das furchtbar, weil erstens sowieso niemand das Logo anschaut, und weil zweitens die Stifte dann 50 oder 100 Jahre vor sich hingammeln, wenn die Leute sie wegwerfen. Das ist also weder aus Marketingsicht noch hinsichtlich des ökologischen Aspekts nachhaltig. Nach der Messe nehmen wir unseren gesamten Stand wieder mit zurück, inklusive aller übriggebliebenen Materialien. Wir werfen nichts weg, sondern nutzen alles auf der nächsten Messe wieder, selbst wenn es nur 15 Flyer sind, die nicht mehr zu 100 Prozent up-to-date sind.
Sie nehmen also in Kauf, dass Messebesucher veraltete Informationen durch Ihre Flyer erhalten?
Wir bauen unsere Flyer inhaltlich so auf, dass wir sie auf mehreren Messen verwenden können. Natürlich könnten wir für manche Zielgruppen eine spezielle Ansprache nutzen und deshalb neue Flyer drucken, zumal das heute ja quasi nichts kostet. Aber die Realität ist ja die: Die Leute nehmen einen Flyer mit, schauen ihn an und oft landet er danach direkt im Müll. Das tut mir wirklich weh. Denn dafür ist ein Baum gefällt worden, der Flyer musste gedruckt werden und es haben sich Menschen Gedanken gemacht, was draufstehen soll. Deshalb denken wir gut darüber nach, ob wir wirklich neue Flyer brauchen, und versuchen erst, alte aufzubrauchen. Für uns steckt dahinter eine Botschaft. Wir sagen, alugha ist grün, weil wir ein Video in vielen Sprachen anbieten können. Würden wir aber Flyer wegwerfen, wäre das nicht konsistent.
Und wenn Sie dann doch neue Flyer produzieren lassen, wie stellen Sie dabei die gewünschte Nachhaltigkeit sicher?
Wir achten darauf, wie die Flyer produziert sind. Wir setzen auf das Motto „local not global“ und schauen, ob es bei uns im Umkreis kleine Druckereien gibt, bei denen wir die Flyer zu Fuß abholen können. So sparen wir uns zumindest den Versand.
Wäre es nicht am besten, gar keine Werbematerialien mehr zu drucken?
Ganz ohne Print geht es nicht. Man braucht einen gewissen Grundstock an Infomaterial. Und Printprodukte haben immerhin den Vorteil, dass man sie aufheben kann. Was einmal gedruckt ist, ist für immer gedruckt und verbraucht demnach keine Ressourcen mehr. Aber für mich sind Printmedien nicht nachhaltig. Das Papier muss verarbeitet und die Druckerzeugnisse müssen transportiert werden, die Druckfarben sind schmutzig, und oft erfolgt der Druck nicht auf Recyclingpapier. Deshalb machen wir keine Printwerbung. Neulich habe ich zum Beispiel in einem E-Commerce-Magazin einen Artikel über uns entdeckt, der auf schwarzen Seiten gedruckt war. Dafür wurde aber kein schwarzes Papier verwendet. Um das Schwarz zu erzeugen, war die Farbe insgesamt viermal übereinander gedruckt. Das verbraucht wahnsinnig viele Ressourcen für einen Artikel, den die Leute einmal lesen. Es war ein inhaltlich guter Beitrag und es ergibt für uns Sinn, in diesem Magazin zu erscheinen. Doch die Redaktion hätte den Artikel stattdessen digital veröffentlichen können. Denn jeder hat heutzutage einen E-Reader, ein Smartphone, einen Computer oder ein Tablet.
Ist digitales Marketing für Sie denn per se nachhaltiger?
Der Vorteil im Digitalmarketing ist, dass man die Inhalte wieder offline nehmen kann und sie dann keine Ressourcen mehr verbrauchen. Außerdem können wir unsere Zielgruppe online passgenau ansprechen. Damit vermeiden wir den hohen Streuverlust, der bei Printmedien oft ein Problem ist. Unseren Newsletter erhalten nur diejenigen, die ihn tatsächlich wollen. Das ist schon alleine durch die DSGVO ganz klar geregelt. Die Informationen, die wir in unseren E-Mail-Marketing-Kampagnen bieten, sind genau auf unsere Empfänger zugeschnitten, was ebenfalls nachhaltig ist. Es ist zwar cool, eine Million Menschen zu erreichen. Aber es geht nicht darum, die Masse, sondern die passenden Adressaten anzusprechen – und zwar ohne unnötige Ressourcenverschwendung. Gezieltes Marketing ist sinnvoller als breitgefächerte Maßnahmen. Aber digital ist trotzdem schmutzig. Man braucht Server, Infrastrukturen und Elektrizität.
Wie gestalten Sie Ihr Digitalmarketing trotzdem möglichst nachhaltig?
Wir machen alles mit grünem Strom. Nach diesem Kriterium suchen wir die Partner aus, bei denen wir unsere Serverinfrastruktur betreiben. Das kommt dann natürlich unserem Marketing zugute.
Wie genau nutzen Sie grünen Strom für Ihre Marketingmaßnahmen?
Wir setzen beispielsweise auf Videomarketing, da sich Bewegtbild-Content als starkes Werkzeug erwiesen hat. Der leichte Weg wäre, diese Videos auf YouTube hochzuladen. Wir gehen aber einen guten Weg. Deshalb stellen wir Videos hauptsächlich auf unserer eigenen Plattform ein, weil wir auf grünes Hosting setzen. Außerdem veröffentlichen wir Videos nur auf Plattformen, die unsere Funktionalität unterstützen und die Möglichkeit bieten, mehrere Sprachspuren in einem Video zu integrieren. Wenn Anbieter diese Anforderung nicht erfüllen, verzichten wir dort auf Marketing. Auch für unsere E-Mail-Marketing-Kampagnen und deren Analyse nutzen wir grünen Strom, weil wir Tools verwenden, die wir auf unseren eigenen Servern betreiben. Meist handelt es sich dabei um Open-Source-Lösungen wie Matomo. So behalten wir die Kontrolle über die Daten und den Energieverbrauch unserer Marketingmaßnahmen.
Wie sorgen Sie noch dafür, Ihr Marketing nachhaltiger zu gestalten, ohne Raubbau an Ressourcen zu betreiben?
Wir beginnen gerade damit, Analysen durchzuführen, mit denen wir sicherstellen, dass wir unsere Zielgruppe nachhaltig erreichen. Um herauszufinden, wie viel CO2 unsere Marketingkampagnen verbrauchen, müssten wir noch mehr Ressourcenbilanzen erstellen. Aktuell nutzen wir bei unseren E-Mail-Marketing-Kampagnen zum Beispiel Tracking-Links, um herauszufinden, in welchen Ländern wir wie viele Personen erreicht haben. Dann clustern wir die Regionen und Länder und schauen uns an, wie diese ihren Strom erzeugen. Dabei achten wir darauf, ob er grün ist, also beispielsweise aus Windkraft stammt. Das passiert zwar nicht automatisiert, sondern ist immer noch Handarbeit, aber es lohnt sich. Denn auf dieser Basis können wir den Energieverbrauch einer Kampagne in einem bestimmten Land messen und feststellen, ob sie grün ist oder nicht. Auf dieser Grundlage entscheiden wir, ob wir in einem Land weiterhin Marketing betreiben wollen oder uns zurückziehen und uns stattdessen auf Länder konzentrieren, in denen der Strom grüner ist.
Das heißt also, wenn es keinen grünen Strom gibt, gibt es in diesem Land auch kein Marketing von Ihnen?
Das gilt nicht nur für unsere Marketingmaßnahmen, sondern auch für unsere Videoplattform. Unser Business verbraucht eine Menge Strom. Deshalb ist es uns wichtig, nachhaltige Lösungen zu finden. Wir haben zwar eine CDN-Server-Infrastruktur, aber wir nutzen sie nur in Ländern, in denen es grünen Strom gibt. Wenn das nicht der Fall ist, verzichten wir darauf, selbst wenn unsere Plattform dadurch an Performance verliert.
Das bedeutet, Sie nehmen in Kauf, dass Ihnen Geschäft entgeht?
Ich weiß, dass wir viel erfolgreicher mit alugha sein könnten, wenn wir gewisse Barrieren überspringen und nicht darauf achten würden, nachhaltig zu sein. Aber man muss bereit sein, Opfer zu bringen. Wenn es einen neuen grünen Weg gibt, gehen wir ihn, auch wenn es eine Herausforderung ist. Es wäre schön, wenn noch mehr Unternehmen und Menschen so denken würden. Deshalb produzieren wir viel Content, der die Leute darauf stößt, was Nachhaltigkeit ist, um für das Thema zu sensibilisieren: Wir haben Beiträge zu Solarenergie, veganem Kochen oder Alternativen zu Leder veröffentlicht. Der Klimawandel ist ja keine Fiktion oder ein Marketinggag. Und alle, die noch nicht bereit sind, selbst etwas zu tun, werden das hoffentlich bald verstehen. Wichtig ist aber, dass ich selbst weiß, ich mache das Richtige und gehe mit gutem Beispiel voran.
Herr Korz, vielen Dank für das Gespräch und die Ermutigung, Ihrem Beispiel zu folgen.
Bernd Korz ist Gründer und Geschäftsführer der 2014 gegründeten alugha GmbH mit Sitz in Mannheim. Das Software-Unternehmen ist darauf spezialisiert, Video- und Audio-Content mit Verfahren der künstlichen Intelligenz und Übersetzungsteams auf der ganzen Welt mehrsprachig bereitzustellen. Als studierter Hochbautechniker begann Bernd Korz 2008 damit, Erklärvideos für YouTube zu produzieren. Damit Nutzer dabei die Sprache einfach umschalten können, entwickelte er gemeinsam mit seinem Sohn ein Feature – den Vorläufer der heutigen Übersetzungsplattform alugha. Bernd Korz gilt als einer der führenden Experten für KI-basierte Übersetzungen. Sein fachlicher Fokus liegt neben Datensicherheit auf dem perfekten Zusammenspiel von Mensch und künstlicher Intelligenz. Mehr zum Thema Nachhaltigkeit von Bernd Korz: Daten(müll) per E-Mail
Möglichkeit zur Verknüpfung:
Bernd Korz auf LinkedIn
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