- DOMINIK CASTILLO
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Das Streben nach Perfektion kann sich in der Marketing Automation unter Umständen ins Gegenteil verkehren. Warum genau das dazu führt, dass Marketer #FEHLERausradieren müssen, um #BESSERwerden zu können, verrät Tobias Eickelpasch, Customer Experience Manager bei der SC-Networks GmbH, und Experte für Marketing-Automation-Kampagnen, im Interview.
19. Januar 2022
Lieber Tobias, Du hast als Projektmanager und Berater schon zahlreiche Kampagnen zum Erfolg geführt. Wenn jemand die Fehler im Kampagnen-Management kennt, dann Du, oder?
In den rund dreizehn Jahren, die ich mich nun mit E-Mail-Marketing und Marketing-Automation beschäftige, habe ich viele Fehler gesehen – und natürlich auch selbst gemacht. Mit bewährten Methoden lassen sich etliche Fehler von vornherein vermeiden. Aber keine Kampagne gleicht der anderen. Schon die kleinste Anpassung bringt neue Herausforderungen mit sich. Jedes Projekt ist individuell, jede Kampagne hält neue Lektionen bereit. Da denke ich immer gern an die Lead-Nurturing-Kampagne bei von Rundstedt, den Spezialisten für Outplacement und Karriereberatung. Da haben wir richtig schöne Fehler gemacht.
„Schöne Fehler", das klingt interessant. Um welche Fehler handelte es sich dabei?
Wir wollten von Anfang an zu viel zu gut machen. Heute wissen wir: Wir haben eine Kampagne zur Perfektion getrieben und es damit übertrieben.
Ein Fehler bestand zum Beispiel in verschiedenen Kampagneneinstiegen. Die Idee war: neue, uns unbekannte Interessenten sollten ein einfaches Einstiegsformular angezeigt bekommen. Sie mussten zunächst einen sauberen Einwilligungsprozess durchlaufen. Alte, uns bekannte Interessenten sollten ein abgewandeltes Formular sehen. Diese bekannten Leads hatten schon ihre Einwilligung erteilt. Hier wollten wir neue Daten erfassen oder aktualisieren. Was wir aber nicht vorausahnten: Für jeden Interessenten wurde später eine individuelle Landingpage erzeugt. Das hatte mit der User-ID zu tun, die in der URL erschien. Am Ende ist massenweise Duplicate-Content entstanden, was ein großes SEO-Problem ist. Wir mussten die Idee komplett über den Haufen werfen.
Dann wollten wir Inhalte in den E-Mails, so genannte Artikel, individuell aussteuern. Je nachdem was ein Interessent geklickt hat, erhält sie oder er passenden Content. Aufgrund des Umfangs hat sich dann aber die Anzahl der für den Kampagnenprozess im Marketing-Automation-System zu hinterlegenden Artikel potenziert. Es wurde zu aufwändig, sowohl in der Programmierung als auch beim Testen. Obendrein kam es zum sogenannten Marmeladen-Paradoxon: In den E-Mails gab es für die Empfänger zu viele Inhalte und Optionen. Das überforderte die Leser. Sie klickten weniger. Auch hier war unser Wunsch nach perfekter Personalisierung ein Fallstrick für die Kampagne.
Letztes Beispiel ist das Lead-Scoring. Die Idee klingt simpel: Das System vergibt für jede Aktion eines Interessenten einen Punktewert, zum Beispiel geklickten oder heruntergeladenen Content. Je mehr Klicks, desto mehr Punkte. Die Werte beschreiben in Summe die Vertriebsreife eines Leads. Aber aufgrund der Anzahl der Inhalte und möglichen Aktionen innerhalb der Lead-Nurturing-Kampagne uferte das Scoring-Konzept völlig aus. Es war kaum mehr beherrschbar.
Wie seid Ihr damit umgegangen?
Zunächst muss man wissen: bei von Rundstedt hat das Team eine sehr positive Einstellung zu Fehlern. Fehler werden nicht als Scheitern betrachtet, sondern als Chance. Als klar wurde, wie komplex die Lead-Nurturing-Kampagne geworden war, machten wir einen harten Schnitt. Bei einem Workshop haben wir uns neu sortiert und uns auf eine simple, lineare Kampagne ohne komplizierte Logiken besonnen. Wir haben von all den Fehlern profitiert. Wir wussten, was wir nicht mehr wollten, was weg musste oder konnte. Diese Erkenntnisse sind sofort in die Konzeption eingeflossen. Die erste Kampagne haben wir noch am Ende des Workshop-Tags live geschaltet! Seitdem laufen die Kampagnen schlanker, schneller, besser.
Was hast Du für künftige Kampagnen daraus gelernt?
Pragmatismus ist das A und O. Schon in der Konzeption. Es ist wichtig, sich nicht in Details zu verlieren, sondern eine Kampagne erstmal einfach und schlank zu planen. Nach dem Schema „Bauen, Messen, Lernen“ – dem sogenannten Lean-Prinzip – haben wir es bei von Rundstedt geschafft, die Kampagne auf das Wesentliche zu beschränken. Als das funktioniert hatte, konnten wir die Komplexität nach und nach steigern. Das ist das ganze Geheimnis! Beim Sich-herantasten sind vor allem Retrospektiven wichtig, um das, was man bisher konzipiert oder umgesetzt hat, bewerten und verbessern zu können.
Heute empfehle ich stets, mit einer einfach getakteten Kampagne zu starten. Technisch nicht zu kompliziert und eher linear, ohne zu viele Verlaufsmöglichkeiten oder Zwischenschritte. Dafür sollte der Fokus auf dem Content liegen. Die Inhalte müssen durch Relevanz und Mehrwert überzeugen. Technik und selbst Design sind da meist zweitrangig. Das lässt sich gut mit dem Pareto-Prinzip begründen: Mit 20 Prozent des Gesamtaufwands erreicht man bereits 80 Prozent des Ergebnisses.
Ebenfalls hilfreich ist ein Kampagnen-Designer, eine grafische Oberfläche, mit der die Abläufe einfach geplant und dargestellt werden. So verstehen alle Beteiligten, was da eigentlich passiert. Idealerweise ist dieser Designer auch Teil der Marketing-Automation-Software, in der die Kampagne später abläuft. Das macht die Umsetzung später einfacher. Wenn ein Kampagnen-Prototyp einmal läuft, kann man damit beginnen, ihn zu verfeinern. Fast automatisch überträgt man die Erkenntnisse und Prototypen auf neue Kampagnen.
Wie gehst Du heute mit Projekten um, die „aus dem Ruder laufen“?
Projekte laufen fast nie aufgrund von technischen Problemen aus dem Ruder. Die kann man schnell lösen. Die Herausforderungen bei der Kampagnenplanung liegen meist woanders, im Zusammenspiel verschiedener Abteilungen, wie etwa Marketing, Vertrieb und Support oder Kundendienst. Deren unterschiedlichen Perspektiven, Vorkenntnisse, Schmerzen und Bedürfnisse müssen berücksichtigt werden. Da sind Offenheit, Ehrlichkeit und Kommunikation wichtig, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Was ist das Ziel der Kampagne? Was soll sie erreichen? Das gemeinsam zu definieren, gelingt nur mit Anstrengungen. Man muss bestehende Prozesse analysieren und neu definieren. Der Lohn dieser Arbeit ist aber, dass später alle – einschließlich natürlich der Kunden und Zielgruppen – von den Ergebnissen profitieren.
Welche Stolpersteine bringen eine automatisierte Marketing-Kampagne sonst noch zu Fall?
Unternehmen unterschätzen die Notwendigkeit und den Aufwand des internen Change-Prozesses, den die Einführung von Marketing-Automation und die Umsetzung automatisierter Kampagnen mit sich bringen. Auch der Weg hin zur ersten Kampagne ist ein langer, der zum Erfolg der Kampagne ein noch längerer. Ich spreche hier oft davon, dass Kampagnenplanung ein Marathon ist: Du kannst heute in den Sportladen gehen, Dir die besten Laufschuhe und -kleidung kaufen, alle relevanten Bücher lesen und entsprechende Filme ansehen. Du bist trotzdem nicht in der Lage, einen Marathon zu laufen. Du musst trainieren. Du läufst erstmal nur zwei, drei oder fünf Kilometer. Bis Du irgendwann einen Marathon schaffst, braucht es Zeit. Entscheidend ist, Erfahrungen zu sammeln, eigene Stärken und Schwächen kennen zu lernen – und sich nicht gleich auf die 42 Kilometer zu stürzen.
Bei den Kampagnen ist es ähnlich. Häufig wollen Marketer die Software implementieren, Content produzieren und nebenbei mit der ersten Kampagne starten. Wenn man zu viel will, dann übernimmt man sich, wie beim Marathon-Training. Es scheitert an mangelnden Ressourcen, fehlendem Know-how oder Zeit. Hinzu kommen nicht selten hohe Erwartungen des Managements an die Kampagne und deren Ergebnisse. Die Entscheider wollen am liebsten gleich den Zieleinlauf nach 42 Kilometern erleben. Doch Abkürzungen gibt es nicht.
Wenn dann auch noch die Entscheidungswege lang sind, dann zieht sich das Training und macht nicht immer Spaß. Es braucht Ausdauer und das Vertrauen auf den Gewinn und die Belohnungen. Viele denken zunächst nur an den Zieleinlauf. Das ist auch ein Schlüsselgedanke, der motiviert. Aber man profitiert sehr davon, dass das Training jeden einzelnen, das Team und die Zusammenarbeit in vielen Facetten besser macht. Das ist schwer zu bemessen, aber sehr wertvoll.
Ein letzter Tipp für B2B-Unternehmen, die Angst vor dem Scheitern haben?
Es gibt keine Fehler, nur Feedback. Und mit Feedback muss man umgehen – offen, ehrlich, konstruktiv. Wer das schafft, wird weniger Angst davor haben, etwas falsch zu machen. Und manchmal sind es gar keine Fehler, die man macht. Manchmal ändern sich einfach die Prozesse oder die Anforderungen seitens der Zielgruppen. Schließlich befindet sich unsere Welt in einem permanenten Wandel. Entscheidend ist es, dem Change flexibel zu begegnen, Fehler und Veränderung zuzulassen und sie als Chance zu verstehen.
Lieber Tobias, vielen Dank für das offene Gespräch und die positiven Impulse!
Tobias Eickelpasch ist Customer Experience Manager bei der SC-Networks GmbH, Hersteller der Marketing-Automation-Plattform Evalanche. Mit über dreizehn Jahren Erfahrung im Kampagnen-Management bespielt er heute die gesamte Klaviatur des automatisierten Lead-Managements – angefangen bei der Strategie- und Konzeptentwicklung bis hin zur operativen Umsetzung im System.
Möglichkeit zur Vernetzung:
Tobias Eickelpasch auf LinkedIn
In unserem Leitfaden E-Mail-Marketing im B2B erfahren Sie, warum Newsletter und Stand-alone-Mailings keine alten Hüte, sondern in der software-basierten Lead-Generierung unverzichtbar sind.
Unter Media.Daten erfahren Sie, in welchen Werbeträgern Sie Ihre Download-Inhalte bewerben können.
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