#FEHLERausradieren: Wie lassen sich digitale Projekte beschleunigen und zugleich Fehler vermeiden?

Bei digitalen Projekten schwingen häufig zwei Befürchtungen mit: Erfüllt das Ergebnis die Erwartungen? Und lässt sich der Zeitplan einhalten? Wie Unternehmen dabei #FEHLERausradieren und warum Mehr manchmal Weniger ist, um #BESSERwerden zu können, erläutert Ralf Thietz, Geschäftsführer der Digitalagentur unternehmen online, im Interview.


So laufen Digitalprojekte nicht aus dem Ruder | Haufe Group
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Lieber Herr Thietz, Sie unterstützen Unternehmen seit rund 25 Jahren bei der Entwicklung und Umsetzung digitaler Produkte. Haben Sie in all der Zeit einen oder mehrere Fehler identifiziert, die immer wieder passieren können?

Natürlich versuchen wir, Fehler zu vermeiden. Aber es stimmt schon, bei Digitalprojekten lauern einige Hürden, die es immer wieder aufs Neue zu überwinden gilt. Ein Fettnäpfchen, in das man schnell treten kann, ist, zu schnell mit der praktischen Umsetzung zu beginnen. Ich erläutere gern, was ich damit meine: Um ein digitales Produkt wie eine Website oder App zu visualisieren, erstellen wir Wireframes und Screendesigns. Mit einem Wireframe skizzieren wir den inhaltlichen Aufbau einer jeden Seite, das Screendesign nimmt die grafische Umsetzung der einzelnen Elemente im Corporate-Design des jeweiligen Unternehmens vorweg. Ansichten mithilfe von Wireframes und Screendesigns zu erstellen, ist richtig und wichtig. Doch wer Projekte damit beginnt, kann später ein böses Erwachen erleben.

Warum? Was genau meinen Sie?

Nun, dem Wireframing und Screendesigning sollten einige Prozesse vorgelagert sein. Zunächst ist es erforderlich, sich mit der jeweiligen Zielgruppe und ihren Bedürfnissen zu beschäftigen. Wer nicht weiß, wie die späteren Nutzer ticken, also was sie von einer Anwendung erwarten, riskiert, dass er an den nutzerspezifischen Anforderungen vorbei entwickelt. Damit das nicht passiert, ist es ratsam, sich mit dem inhaltlichen Thema gründlich auseinanderzusetzen und die eigene Buyer-Persona zu definieren. Dabei ist es wichtig, sich detailliert mit der zu erwartenden Customer-Journey zu beschäftigen. An welchen Touchpoints kommt der Nutzer mit dem Unternehmen in Kontakt? Welche Informationen benötigt er, um die gewünschte Transaktion durchzuführen? Wie sollte der Checkout-Prozess gestaltet sein? Diese und viele weitere Fragen beantworten wir gemeinsam mit unserem Kunden in einem Persona-Workshop. Wir setzen die Kundenbrille auf und spielen verschiedene Customer-Journeys durch. Erst auf dieser Basis ist es sinnvoll, Ansichten, Inhalte und Prozesse anhand von Wireframes schematisch darzustellen.

Wie geht es dann weiter?

Steht der strukturelle Aufbau jeder Seite – und die Zahl kann bei größeren Websites schnell in die Dutzende oder gar Hunderte gehen –, ist die grafische Umsetzung der festgelegten Prozesse der nächste Schritt. Wichtig ist, dass es erfahrene UX-Designer sind, welche die Screendesigns erstellen. Schließlich ist das oberste Ziel einer jeden digitalen Anwendung, dass der Nutzer sie intuitiv bedienen kann. Umso wichtiger ist es, die Prozesse dahinter zu verstehen. Ein guter UX-Designer weiß, was der Nutzer braucht, damit er konvertiert, also damit er zum Beispiel einen Content wie ein Whitepaper herunterlädt oder ein Produkt kauft. Häufig ist es so, dass verschiedene Webservices zu integrieren sind, etwa für Validierungsprozesse bei Formularen. Der UX-Designer muss in der Lage sein, die Eingabe einer IBAN oder eine SCHUFA-Prüfung so in den Checkout-Prozess zu integrieren, dass der Anwender dies nicht als störend empfindet. Das ist nicht ganz leicht.

Sie würden also empfehlen, mehr Zeit in die Vorbereitung zu investieren?

Definitiv. Wer seine Hausaufgaben nicht macht und zu früh mit der praktischen Umsetzung beginnt, hat zumeist das Nachsehen. Projekte verzögern sich, der Aufwand läuft aus dem Ruder, Deadlines sind nicht zu halten und die Kosten explodieren. Um all das zu vermeiden, ist es mitunter nötig, Kunden einzubremsen. Natürlich möchten sie gleich loslegen und sind voller Eifer. Wir erhalten manchmal vorschnell Briefings in Prosa. Da läuten bei mir alle Alarmglocken. Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass derartige Umsetzungsvorgaben der falsche Weg zum Ziel sind – falls man es überhaupt bis dorthin schafft. Wer mehr Zeit in Vorbereitung sowie Planung investiert und die beschriebenen Vorarbeiten sorgfältig durchführt, erreicht nicht nur die Ziellinie deutlich schneller. Auch das Ergebnis ist besser. Und hierfür ist es nun mal erforderlich, dass wirklich alle Prozesse im Detail durchdacht und ansprechend visualisiert sind. So hat der Kunde die Sicherheit, dass das spätere digitale Produkt seine Erwartungen erfüllt. Und unsere Entwickler können es umsetzen und sinnvolle Prozessketten modellieren, ohne dass sie permanent Rückfragen stellen müssen – was die Projektdauer wiederum empfindlich verlängern würde.

Können Sie in Zahlen angeben, wie viel Zeit sich sparen lässt, wenn die Vorbereitung stimmt?

Die Dauer eines Projekts ist natürlich von dessen Komplexität und Umfang abhängig. Generell würde ich schon sagen, dass sich zum Beispiel die Anzahl der Korrekturläufe um ein Viertel reduziert, wenn wir gemeinsam mit unserem Kunden vorab mehr Zeit in die Persona-Definition und die Erstellung von Wireframes investieren. Wer sich mehr Zeit für eine sorgfältige Vorbereitung nimmt, minimiert das Risiko, dass Projekte zeitlich und finanziell aus dem Ruder laufen. Meine Empfehlung wäre: Soll ein Projekt eine Gesamtdauer von sechs Monaten haben, ist es sinnvoll, ein bis zwei Monate für die theoretischen Vorarbeiten einzuplanen. Dabei wird auch erkennbar, ob die eingangs angestrebte Projektdauer realistisch ist.

Gibt es etwas, das Unternehmen selbst tun können, um Digitalprojekte zu beschleunigen?

Ja, durchaus. Wichtig ist, dass kundenseitig alle relevanten Fachbereiche an Bord sind. Ein Onlineshop zum Beispiel ist ja kein Produkt, das lediglich den Verkauf betrifft. Das Marketing stellt Produktbilder und -beschreibungen bereit, der Einkauf sorgt für Produktnachschub, die Buchhaltung managt die Zahlungen und so weiter. Hier kann es eine gute Idee sein, einen weiteren Workshop mit allen Beteiligten durchzuführen. Man stelle sich vor, ein Unternehmen wolle einen digitalen Service launchen: Etwa die Buchung eines Dauer-Parkplatzes in einem Parkhaus anhand des Nummernschilds – und für einen Monat im Voraus. Das Marketing würde die Persona definieren, während der Einkauf die erforderliche Ausstattung beschafft –geeignete Schranken, Kameras und dergleichen. Ohne, dass Unternehmen fachbereichsübergreifend definieren, wer was zu tun hat, ist das Risiko sehr groß, dass solche Projekte scheitern.

Trotz aller Vorbereitung kann es passieren, dass ein digitales Produkt in der Praxis nicht wie gewünscht funktioniert. Was ist in solchen Fällen zu tun?

Leider ist man nicht davor gefeit, dass Prozesse doch mal an der einen oder anderen Stelle haken. Völlig falsch wäre es, mit dem Finger auf den vermeintlichen Schuldigen zu zeigen. Es braucht konstruktive Lösungsansätze. Ich nenne gern ein Beispiel: Der Nutzer möchte eine Eintrittskarte ins Schwimmbad online kaufen. Google führt ihn auf die Startseite des Bades. Dort kann der Nutzer jedoch keine Karten erwerben, weil Verkaufsinhalte nur im Onlineshop abgebildet sind. Dann gilt es, eine Möglichkeit zu schaffen, den Verkaufsprozess auch über die Website anzustoßen. Hat das Schwimmbad eine ergänzende App, wäre es sinnvoll, dort einen Deeplink für den direkten Kartenkauf zu integrieren. Ein weiteres Beispiel wäre, dass das Schwimmbad ein Gewinnspiel in seiner App veranstaltet. Wird der generierte Teilnahme-Code nicht automatisch übergeben, sobald der Nutzer den Teilnehmen-Button klickt, bestünde die Gefahr, dass er genervt ist und doch nicht mitmacht. Einen Code umständlich kopieren und aus der Zwischenablage in ein Eingabefeld übertragen zu müssen, ist wenig nutzerfreundlich. Zugunsten einer praktikablen Lösung wäre es dann sinnvoll, den Prozess in einem Wireframe erneut zu skizzieren. Und auch bei Optimierungen dieser Art gilt: Sich in den Nutzer und seinen Bedarf hineinzuversetzen, ist das A und O. 

Es braucht also viel Agilität?

Ganz genau. Es kann ja auch passieren, dass man sich ein tolles Feature überlegt, das dann doch nicht wie geplant umsetzbar ist. Dann muss man flexibel sein und einen Plan B erarbeiten. Überhaupt sind Flexibilität und Agilität im digitalen Umfeld entscheidend. So ist beispielsweise eine Website ein dynamisches Gebilde, das sich zwangsläufig weiterentwickeln muss – sowohl inhaltlich als auch technologisch und strukturell. Sich dem zu verschließen und nur alle paar Jahre einen großen Relaunch anzustreben, wäre ein großer Fehler. Eine Website ist permanent zu optimieren. Denn schon kleine Anpassungen können eine große Wirkung haben, etwa bei der Suchmaschinenoptimierung. Regelmäßig kritisch zu hinterfragen, ob die eigenen digitalen Produkte den anvisierten Zweck noch erfüllen, ist unabdingbar. Andernfalls läuft man Gefahr, von der agileren Konkurrenz überholt zu werden.

Herr Thietz, vielen Dank für das interessante Gespräch und die praktischen Einblicke in Ihre Arbeit.

Ralf Thietz ist geschäftsführender Gesellschafter von unternehmen online. Er hat die Digitalagentur 1997 während seines Studiums der Sozialwissenschaften und Wirtschaftslehre gemeinsam mit zwei Kommilitonen gegründet. Als Experte für die Konzeption und Umsetzung digitaler Lösungen sowie für Hosting und Betrieb unterstützt Ralf Thietz Unternehmen bei der Entwicklung und Einführung digitaler Produkte. 

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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers verzichtet.
Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

Christian Schmitt
Christian Schmitt
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