- DOMINIK CASTILLO
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Am 15. Mai drehte sich auf dem zwölften Neuromarketing-Kongress in der BMW Welt München alles um die neuesten Ergebnisse der Neuromarketing-Forschung und spannende Best-Practices. Unter dem Motto „Trust – wo Vertrauen entsteht und wie es wirkt“ ging es um die Frage, warum Vertrauen „das Schmiermittel der Wirtschaft“ ist.
27. Mai 2019
In Zeiten allgegenwärtiger Fake-News und eines schwindenden Vertrauens in renommierte Qualitätsmedien müssen auch B2B-Unternehmen, die Content-Marketing betreiben, sowohl vertrauenswürdig sein als auch vertrauen können. Denn nur die wenigsten verfügen über die erforderliche Manpower, um relevante Inhalte selbst erstellen, veröffentlichen und promoten zu können. Darum ist es an der Tagesordnung, mit einem externen Dienstleister zusammenzuarbeiten. Im Idealfall besteht zwischen B2B-Unternehmen und dem Content-Dienstleister ein partnerschaftliches Verhältnis, basierend auf gegenseitigem Vertrauen. Ebenso müssen werbetreibende Unternehmen selbst vertrauenswürdig sein, damit Kunden und Interessenten ihre Daten hinterlassen, um einen Content zu erhalten.
Vor diesem Hintergrund wurde auch auf dem Neuromarketing-Kongress schnell klar: Vertrauenswürdige Premium-Marken genießen einen Platz an der Sonne: Sie können die höchsten Preise verlangen, erhalten die größte Aufmerksamkeit, dürfen sich über loyale Kunden freuen und profitieren von Weiterempfehlungen. Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage: Wie genau baut sich Vertrauen auf? Und gelingt das bei allen Kunden gleich gut?
Im ersten Vortrag lieferte Prof. Dr. Martin K.W. S Schweer sogleich die ernüchternde Antwort: Nein, Vertrauen ist individuell. Er eröffnete den rund 300 Teilnehmern einen Einblick in die Vertrauensforschung. Zudem erläuterte er, welche fundamentale Rolle Vertrauen in unserem Leben spielt. Vertrauen, das immer subjektiv sei und aus einem Wechselspiel zwischen Person und Situation entstehe, reduziere die Komplexität im Alltag. „Vertrauen darf niemals als strategisches Mittel zum Zweck ausgenutzt werden“, appellierte Prof. Dr. Martin K.W. S Schweer an die Vernunft der Teilnehmer. Stattdessen seien Unternehmen gefordert, ein hohes Maß an Mitarbeitervertrauen aufzubauen. Ohne dieses Vertrauen zu managen, würden sie dann von motivierten, weniger gestressten Mitarbeitern und sinkenden Kosten profitieren, da viele Kontrollmechanismen nicht mehr erforderlich sein, wenn in Unternehmen ein angenehmes Arbeitsklima auf Basis von Vertrauen herrscht. Zugleich steigern Firmen ihre Innovationsfähigkeit, da Vertrauen risikofreudiger mache. „Vertrauen kommt zu Fuß und geht im Galopp“, zog Prof. Dr. Martin K.W. S Schweer ein Fazit, das zum Nachdenken anregte. Unternehmen müssten sich stets darum bemühen, die Potenziale ihrer Mitarbeiter voll auszuschöpfen. Wer dazu nicht bereit sei, könne langfristig nicht überleben.
Vertrauen spielt auch für das Vergleichsportal Check24 eine wichtige Rolle. Erfolgsfaktoren wie ein guter Kundenservice, eine große Kulanz und ein hohes Maß an Integrität bildet die Basis des Geschäftsmodells. Diese Haltung spiegelte CEO Christoph Röttele in seinem Vortrag wider. Christoph Röttele, der sich selten einem großen Publikum präsentiert, bot den Teilnehmern einen einmaligen Einblick in sein Unternehmen. Er ist der Meinung, dass viele Online-Unternehmen sehr leichtfertig mit Vertrauen umgehen, was sich nicht zuletzt im Kundenservice niederschlägt: Von langen Wartezeiten am Servicetelefon über komplexe Code-Eingaben für die Einlösung eines Online-Gutscheins bis hin zu exklusiven Angeboten, die sich nur an Neukunden richten oder gerade eben abgelaufen sind. In solchen Fällen sei Customer-Centricity kein Thema. Kurzfristig könne eine derartige Unternehmenskultur schnellen Profit bringen. „Doch Unternehmen brauchen langfristige Kundenbeziehungen, um nachhaltig wirtschaften zu können“, war Christoph Röttele überzeugt. Entsprechend riet er Unternehmen dazu, den Kundenfokus über alle Abteilungen hinweg zu institutionalisieren.
In seinem Vortrag stellte Christoph Röttele auch die vier Erfolgsfaktoren von Check24 vor:
1. Ein Versprechen halten
Um das Vertrauen seiner Kunden zu gewinnen und sukzessive zu stärken, betreibt Check24 bei mallorquinischen Autovermietungen eigene Kundenservice-Stände. Dort können Kunden keine Autos mieten, sondern sich mit ihren Fragen direkt an Check24 wenden. Das schafft ein hohes Maß an Vertrauen.
2. Kundenzufriedenheit sicherstellen
Für jedes einzelne Produkt gibt es bei Check24 ein eigenes Organisationsteam, bestehend aus Teamleiter, Produktmanagern, IT-Experten und Kundenbetreuern. Alle Einheiten sind mit dieser Struktur immer nah am Kunden, seinen Wünschen und Problemen – was letztlich Vertrauen aufbaut. Check24 hat verstanden, dass es die Kunden sind, die die Mitarbeiter bezahlen. Darum sind alle Ressourcen darauf ausgerichtet, eine möglichst hohe Kundenzufriedenheit sicherzustellen. Es gibt keine Lockangebote, was sich in einer hohen Rückkehrquote niederschlägt: Die Kunden sind treu und kommen gerne wieder, weil sie wissen, dass sie ehrlich Angebote erhalten.
3. Auf MVPs (minimal viable products) verzichten
Es gibt keinen Go-live, bevor die Qualität eines Produkts oder Angebots nicht getestet und bestätigt ist. Sollten beim Rollout dennoch Funktionslücken auftauchen, werden sie sofort manuell überbrückt, um die erforderlichen Top-Funktionen für die Kunden zu gewährleisten. Daneben fokussiert sich Check24 entweder auf neue Produkte oder neue Funktionen – eine parallele Vorgehensweise ist strategisch ausgeschlossen.
4. Alle Kunden wertschätzen
Sämtliche Aktionen, wie etwa die Teilnahme am Punkteprogramm oder am GoldClub samt Zusatzleistungen, sind immer und zu jeder Zeit für alle Kunden erreichbar. Als Beweis für das große Vertrauen seiner Kunden führte Christoph Röttele an, dass bei Spezialleistungen 40 Prozent der Kunden auf Nachfrage gestatten, dass Check24 auf ihr Bankkonto zugreifen darf – ein unglaublicher Vertrauensbeweis.
Mit einer praktischen Übung startete Prof. Dr. Guido Möllering seinen Vortrag über die Entstehung von Vertrauen: „Mund auf, Augen zu!“ lautete seine Aufforderung an das Publikum. Die Erklärung folgte sogleich: „In diesem Moment sind Sie sehr verletzlich, denn Ihr Nachbar könnte etwas in Ihren Mund hineinlegen, ohne dass sie es sehen. Aber Sie vertrauen Ihrem Sitznachbarn, dass dies nicht passiert.“ ¬Mit diesem Test konnte er zeigen, dass Vertrauen etwas sehr Selbstverständliches ist. Wir wollen vertrauen, nicht misstrauen – wenngleich immer eine gewisse Unsicherheit bestehe. Diese Unsicherheit zu ertragen, sei Ausdruck von Vertrauen. Prof. Dr. Guido Möllering ermutigte die Teilnehmer, das echte Interesse an einer langfristigen Kundenbeziehung zu stärken. Dabei könne man Kunden oder Handelspartner ruhig auf die gegenseitige Verantwortung hinweisen: „Wir zählen auf euch und vertrauen darauf, dass ihr unser Vertrauen nicht missbraucht.“
Marc Freyberg, Geschäftsleiter Marketing und E-Commerce von Brax, hielt ein ebenso schwungvolles Plädoyer für die Vision des Textilunternehmens: Mit Leidenschaft für unsere Kunden und Partner. Diese Leidenschaft transportierte er in seinem Vortrag über die Führungskultur des traditionsreichen Textilunternehmens. Das Management habe nicht mehr zeitgemäße Top-Down-Strukturen durch flache Hierarchien ersetzt, es gebe beidseitige Feedbackgespräche, ein internes Bewerbertool fördere den Wechsel zwischen verschiedenen Abteilungen, und es gebe Umfragen zur Erfolgswahrscheinlichkeit im Vorfeld neuer Projekte – allesamt Maßnahmen, die ein vertrauensvolles Miteinander schaffen und die Mitarbeiter dazu ermutigen, diese Werte an die Kunden zu kommunizieren. Die Kunden wiederum vertrauen ihrerseits auf eine perfekte Passform, eine Top-Qualität und Nachhaltigkeit. Entsprechend habe der Braxclub derzeit 500.000 Mitglieder und erwirtschafte 70 Prozent des Gesamtumsatzes. Ein wahrer Vertrauensbeweis.
Wann aber geben wir einen Vertrauensvorschuss, wann brechen wir mit einem Unternehmen? Eine Antwort lieferte Prof. Dr. Christian Montag mit dem Trust-Game-Experiment. Es verdeutlicht aus biopsychologischer Sicht, mit welchen Methoden sich Vertrauen beziehungsweise der Anstieg des Hormons Oxytocin messen lässt. Das als Kuschel-Hormon bekannte Oxytocin steigt durch gewollten Körperkontakt am stärksten an. Dabei komme es jedoch stets auf den Kontext an. In den vorgestellten Experimenten zeigte Prof. Dr. Christian Montag, dass wir unter Oxytocin-Einfluss schadenfreudiger sind und eher lügen. Darum gelte: Je näher eine Marke mit unseren Grundbedürfnissen verbunden ist, desto schwieriger sei es, Vertrauen aufzubauen. Das gelte beispielsweise für Anbieter von Lebensmitteln, Kosmetika oder auch Babypflegeprodukten. Ist das Vertrauen erst einmal beschädigt, sei es sehr schwer, das Ursprungsvertrauen wiederherzustellen.
Eine mittelständische Erfolgsgeschichte präsentierte Stefan Kremin von Brauns-Heitmann. Als Geschäftsführer des über 140 Jahre alten Unternehmens zeigte er am Beispiel der Produktgeschichte der Textilfarbe „Simplicol“: Man ist nie zu klein, nur zu wenig agil. Als Marktführer hat sich das Chemieunternehmen lange auf seinen Lorbeeren ausgeruht, musste dann aber umso kreativer werden, als Henkel ein Konkurrenzprodukt auf den Markt brachte. Brauns-Heitmann hielt dem Druck stand und hat auf Basis intelligenter Neuromarketing-Ansätzen das Kundenverhalten durchleuchtet, entsprechende Vermarktungsstrategien erarbeitet und neue Potenziale freigesetzt. Durch das Vertrauen in die Stärke des Produktes sind der neue Claim „Simplicol – Das Original“ und ein modernes Verpackungsdesign entstanden. Das auf das Kundenverhalten hin abgestimmte Produkt überzeugte Handel und Verbraucher gleichermaßen, sodass der Konsumgüterriese Henkel sein Produkt schließlich vom Markt nehmen musste. Das Beispiel verdeutlichte, dass es beim Vertrauensaufbau nicht um Größe oder Budget gehe, sondern um die Inhalte. Es lohne sich, auch kleine Produkte oder Marken zu stärken.
Wirtschaftswissenschaftler und Krisennavigator Frank Roselieb hatte gleich ein ganzes Repertoire an Fällen aus der Wirtschaft (Klimawandel, MeToo-Debatte, DSGVO und Lügenpresse) im Gepäck, die zeigten, wie sich verlorenes Vertrauen zurückgewinnen lässt. Bei allen dokumentierten Krisen machen die Studien des Instituts für Krisenforschung immer wieder deutlich: Verbraucherverhalten kollidiert mit Verbrauchervertrauen: Trotz Dieselskandal erzielt VW weiterhin gute Umsätze, trotz diverser Lebensmittelskandale bleibt der Fleischkonsum unverändert hoch. Auch die Vorab-Panik in Sachen DSGVO habe sich als völlig überzogen erwiesen, da die bisherige Höchststrafe bei nur 80.000 Euro, und nicht im angedrohten mehrstelligen Millionenbereich gelegen habe. Die Empfehlung von Frank Roselieb für eine gelungene Krisenkommunikation: „Reagieren Sie konsistent, schnell und leidenschaftlich. Beantworten Sie alle Fragen. Legen Sie sich ein Krisenhandbuch zu, das einen Kommunikationsplan für den Fall einer Krise beinhaltet. So bewahren Sie einen kühlen Kopf und können die Zukunft Ihres Unternehmens sichern.“
Mit der provokanten These „Die cleveren Psychopathen gehen in die Wirtschaft“ begann US-Profiler Mark T. Hoffmann seinen Abschlussvortrag. Seine Formel für Vertrauen und Erfolg setzt sich aus der Balance zwischen Glaubhaftigkeit und Authentizität zusammen. Mit einfachen, aber extrem wirksamen Experimenten verschaffte er den Teilnehmern gleich mehrere Aha-Effekte: Die Besucher erfuhren am eigenen Leib, wie viel Macht im Visuellen steckt und wie sich Menschen damit im Hinblick auf Entscheidungen oder Überzeugungen manipulieren lassen. Der Schlüssel, wertvolle Erkenntnisse über das Gegenüber zu erhalten, liege im Beachten der Details: Echte ungeteilte Aufmerksamkeit sei der Weg, um Menschen zu lesen und zu überzeugen. Dabei stets sympathisch zu bleiben, sei die Kür, mit der sich ein nachhaltiger Vertrauenseffekt auslösen lasse.
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